Die Geschichte von Faruch Tulkunschonov aus Usbekistan
„Ich k a n n hören und bitte nerv‘ mich nicht!“
Das signalisierte der kleine Faruch auf seine kindliche Art mit Gesten und entsprechender Mimik seiner aufgeregten Mutter, die wenige Tage nach der Anpassung des Sprachprozessors seines Cochlear Implantates immer wieder aus dem Nebenzimmer seinen Namen rief. Sie konnte es noch nicht wirklich fassen und wollte sich immer wieder vergewissern.
Das Hören war Faruch nicht von Anfang an gegeben. Er – das langersehnte Kind, der ganze Stolz seines Vaters – musste 4 Jahre lang darauf warten.
Kurz nach der schwierigen Geburt konstatierten die Ärzte, dass Faruch behindert sei und sich nicht normal entwickeln würde. Ein unbeschreiblicher Schock und tiefer Schmerz für die Eltern.
Nach einigen Monaten stellten andere Ärzte fest, dass Faruch „nur“ hochgradig schwerhörig sei.
Vater Abror und Mama Nargiza sorgten dafür, dass ihr Söhnchen ein gutes Hörgerät bekam, aber es brachte keinen Nutzen. Es kam zu keinerlei Sprachentwicklung.
Im Frühjahr 2013 – Faruch war schon fast 4 Jahre alt – sprach es sich unter den Eltern mit ähnlichen Sorgen in Taschkent und Umgebung herum: eine Akustikerin aus Deutschland war eingetroffen!
Regina Wolfram war gekommen, um Kollegen in der Anpassung von Hörgeräten zu schulen. Nun kamen auch die Eltern und brachten ihre Kinder. Sie baten um Anpassung von Hörgeräten und sie baten um Rat. So auch Abror, Nargiza und Faruch. Schnell wurde klar, dass auch ein professionell angepasstes Hörgerät für Faruch nichts bringen würde. Regina wusste aus eigener Erfahrung in ihrer Familie – ihre 18jährige Schwester ist Trägerin eines Cochlear Implantates – dass ihm nur durch ein CI geholfen werden könnte. Das verstanden die Eltern sofort, sie hatten schon früher davon gehört, aber wie sollten sie die dafür erforderliche hohe Summe Geldes aufbringen? Eine Operation in Usbekistan erschien dazu unmöglich, das CI ist in diesem Land noch nicht offiziell zugelassen und es fehlt an geschultem Personal.
Regina Wolfram war entschlossen zu helfen. Sie recherchierte im Internet und fand die Prof. Ernst Lehnhardt-Stiftung. In kürzester Zeit überzeugte sie Monika Lehnhardt, die ihr „Netzwerk“ in Bewegung setzte. Der Chef der Firma Cochlear Europe in Basel versprach einen außergewöhnlich niedrigen Preis für das CI System. Klaus Gollnick aus Admannshagen im hohen Norden Deutschlands, der im Vorjahr Shakira aus Bangladesh zu einem CI verholfen hatte, setzte sich ein und überzeugte Winnie Schlüter von „Ein Herz für Kinder“ die Kosten für das CI zu übernehmen. Dr. Vigen Bakhshinyan – ein Operateur und Audiologe aus Armenien, der seit vielen Jahren im Institut für Audiologie und Hörrehabilitation in Moskau tätig ist – erklärte sich bereit, die Operation kostenlos durchzuführen. Da Tashkent als Ort für die Operation nicht in Frage kam, entschieden wir uns für Almaty in Kasachstan. Anfang Dezember 2013 saß die Familie Kazakbaev im Flugzeug von Tashkent nach Almaty. Im dortigen Krankenhaus war alles vorbereitet. Am 5. Dezember erwachte Faruch gesund und munter aus der Narkose. Dr. Vigen Bakhshinyan berichtete an Monika Lehnhardt:
“I would like to inform you that today I operated small Farukh in Almaty. Everything is fine! At the end of the surgery the neural response telemetry from the auditory nerve was registered. This confirms that after the switch-on child will hear!”
Dazu bedurfte es noch der Anpassung des Sprachprozessors. Aus diesem Grund haben wir die Familie am 28.12. nach Moskau eingeladen, wo Dr. Vigen Bakhshinyan auch diese kostenlos vornahm.
„Faruch hat ein zweites Leben, er hat jetzt zwei Mal im Jahr Geburtstag – am 8. Juli und am 5. Dezember, dem Tag an dem er operiert wurde“ sagt Nargiza. Die Chancen für Faruch stehen sehr gut, er ist lebhaft und aufmerksam und – ein Glück für ihn – er hat eine 13jährige hörende Schwester Gavhar – die als adoptiertes Baby vor 13 Jahren in die Familie kam.
Am 19. Februar war Faruch mit seinen Eltern zur zweiten Anpassung wieder in Almaty und wieder hat sich Dr. Vigen Bakhshinyan rührend um ihn gekümmert.
Wir werden Faruch weiter auf seinem Lebensweg in die Welt des Hörens begleiten und uns freuen, wenn Mama Nargiza berichtet, dass sie jeden Tag Veränderungen in seinem Verhalten bemerken kann. Sie bringt uns auch zum Schmunzeln wenn sie schreibt, dass Faruch sich unlängst im Schrank versteckte und offenbar heimlich Regina anrufen wollte. Hat er doch schon kapiert, dass auf diesem Gerät eine Nummer mit dem Bild von Regina gespeichert ist und dass seine Eltern häufig so mit Regina sprechen!
Monika Lehnhardt-Goriany März 2014